Wie schütze ich mich vor psychischen Erkrankungen?
Voelkner & Radßat GbR • 13. Dezember 2024
Wie schütze ich mich vor psychischen Erkrankungen?
Wie entstehen psychische Störungen?
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Der Ausbruch einer psychischen Störung ist multifaktoriell bedingt. Das heißt, es gibt sehr viele Einflussfaktoren über das gesamte Leben hinweg, die gemeinsam zur Entstehung eines Störungsbildes beitragen. Integrative Erklärungsansätze wie das Vulnerabilitäts-Stress-Modell (Berking, 2012) berücksichtigen dies und sagen, dass Vulnerabilitäten zusammen mit auslösenden Faktoren und modifizierenden Variablen erklären, welches Störungsbild in welcher Intensität entsteht. Vulnerabilitäten sind biologische (z.B. Genetik, Alter, Geschlecht), psychologische (z.B. Persönlichkeit, Intelligenzausprägung) sowie soziale (z.B. elterliches Erziehungs- und Bindungsverhalten, sozioökonomischer Status) Faktoren, die die Verwundbarkeit bzw. die Anfälligkeit einer Person für eine psychische Störung grundsätzlich erhöhen. Zu den Vulnerabilitäten kommen auslösende Faktoren hinzu, die akut (z.B. Tot eines Angehörigen) und anhäufend (z.B. unbefriedigte Grundbedürfnisse, finanzielle Sorgen, hohe Arbeitsbelastung) sein können. Des Weiteren gibt es modifizierende Variablen, die die Entstehung und den Verlauf der psychischen Störung positiv oder negativ beeinflussen können. Solche Variablen können z.B. sein die Problemlösekompetenz der betroffenen Person oder die soziale Unterstützung des Umfeldes. Es gibt dementsprechend viele Risiko- und Schutzfaktoren, die zusammen mit auslösenden Ereignissen zum Ausbruch einer psychischen Störung führen. Risikofaktoren können Vulnerabilitäten und negativ beeinflussende modifizierende Variablen sein.
Was sind Risiko- und Schutzfaktoren für psychische Störungen?
In der Kauai-Studie von Werner & Smith (1977) wurden 698 Kinder über 30 Jahre begleitet und in regelmäßigen Abschnitten untersucht und befragt, um den Einfluss von Risiko- und Schutzfaktoren auf die kognitive, physische und psychische Entwicklung der Kinder herauszufinden. Es konnte eine Gruppe von Kindern ermittelt werden, die eine sehr hohe Vulnerabilität auswies. Von dieser Gruppe zeigten zwei Drittel der Kinder psychische Krankheiten, kriminelles Verhalten, Lern- und Verhaltensschwierigkeiten. Ein Drittel der Kinder zeigte dies allerdings trotz der hohen Vulnerabilität nicht. Man hat festgestellt, dass diese Kinder neben den Vulnerabilitäten bzw. Risikofaktoren ebenfalls eine gute Resilienz bzw. Schutzfaktoren aufwiesen.
Was ist Resilienz? Und wie schützt sie uns vor psychischen Störungen?
Resilienz umfasst die menschliche Widerstandsfähigkeit gegenüber belastenden Lebensumständen. Der Gegenbegriff zur Resilienz ist die Vulnerabilität, die Verwundbarkeit oder Verletzlichkeit. Daher wird Resilienz auch oft als psychische Robustheit oder Unverwundbarkeit bezeichnet (Gabriel 2005). Es besteht grundsätzlich das Potenzial zur Entwicklung und Förderung von Resilienz und Bekämpfung von Vulnerabilität. Wichtige Bestandteile sind dabei u.a. die Achtsamkeit und Selbstreflexion.
Psychische Widerstandfähigkeit durch Achtsamkeit
Achtsamkeit ist das bewusste Lenken der Aufmerksamkeit auf den gegenwertigen Moment, das vorurteilsfreie und wertfreie Erleben des Hier und Jetzt. Dabei wird jeder Gedanke, jedes Gefühl und jede Körperwahrnehmung registriert und beobachtet, ohne das Erlebte zu kategorisieren, zu bewerten oder darauf zu reagieren (Bishop et al., 2004).
Achtsamkeit kann gut geübt und trainiert werden. Eine Möglichkeit dazu ist das Genusstraining. Einfach mal googlen ;)
Psychische Widerstandfähigkeit durch Selbstreflexion
Reflektierendes Lernen ist der interne Prozess des Untersuchens und Erkundens einer Anliegensfrage, ausgelöst durch eine Erfahrung, die Bedeutung im Hinblick auf die eigene Person schafft und klärt, und die zu einer veränderten konzeptuellen Perspektive führt (Boud et al. 1985, S. 19).
Das Ziel von Selbstreflexion ist die Erweiterung der bisherigen eigenen Perspektive durch neue Erkenntnisse und eine darauffolgende Verhaltensänderung.
Nach Aktins & Murphy (1993) lässt ich der Prozess der Selbstreflexion in drei Stufen gliedern:
- Bewusstsein über unangenehme Gefühle und Gedanken
- kritische Analyse der Situation
- Entwicklung einer neuen Perspektive auf die Situation
Achtsamkeit und Selbstreflexion sind zwei trainierbare Bestandteile der Resilienz, die wichtig ist, um Schutzfaktoren aufzubauen, die die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung einer pschischen Störung reduzieren können.
Literaturverzeichnis:
Atkins, S., & Murphy, K. (1993). Reflection: a review of the literature. Journal of Advanced Nursing 18, 1188–1192. doi: 10.1046/j.1365-2648.1993.18081188.x
Bishop, S. R., Lau, M., Shapiro, S., Carlson, L., Anderson, N. D., Carmody, J., ... & Devins, G. (2004). Mindfulness: A proposed operational definition. Clinical psychology: Science and practice, 11(3), 230.
Berking, M. (2012). Ursachen psychischer Störungen. In: Berking, M., Rief, W. (eds) Klinische Psychologie und Psychotherapie für Bachelor. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-16974-8_3
Boud, D., Keogh, R., & Walker, D. (1985). Reflection: Turning Experience into Learning. London: Kogan Page.
Werner, E. E., & Smith, R. S. (1977). Kauai’s children come of age. Honolulu: University Press of Hawaii.
Gabriel, T. (2005). Resilienz. Kritik und Perspektiven (Zeitschrift für Pädagogik 51).
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