Verhalten verstehen, Verhalten ändern: Ein Überblick über die Kognitive Verhaltenstherapie
Voelkner & Radßat GbR • 16. Januar 2025
Verhalten verstehen, Verhalten ändern: Ein Überblick über die Kognitive Verhaltenstherapie
Was ist die (Kognitive) Verhaltenstherapie (VT)
Die VT gehört zu einen der vier Richtlinienverfahren, dessen Therapie von den gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland bezahlt werden. Um 1960 ist die VT aus der Strömung des Behaviorismuses heraus entstanden. Der Behaviorismus beschäftigt sich mit Lerntheorien wie der klassischen und operanten Konditionierung sowie dem Modelllernen zur Erklärung menschlichen Verhaltens. Die Idee entstand, dass konditioniertes, also erlerntes Verhalten, auch wieder "wegkonditioniert" werden kann. Das bedeutet, dass ein pathologische Verhalten, das ein Mensch aufgrund seiner psychischen Störung zeigt, erlernt ist und entsprechend auch wieder umgelernt werden kann. Die Strömung der kognitiven Wende entwickelte die VT weiter. Der Psychiater Beck und der Psychologe Ellis gingen davon aus, dass auch Kongitionen, genauer Bewertungen, eine bedeutende Rolle bei der Erklärung menschlichen Verhaltens spielen. Aktuell entwickelt sich die VT ebenfalls weiter: Die Strömung der "dritten Welle" entwickelt störungsspezifische verhaltenstherapeutische Therapien wie die Acceptance and Commitment therapy (ACT). Die VT kann heute als "Werkzeugkasten" gesehen werden, der störungsspezifische Therapien und Techniken beinhaltet, die patientenspezifisch angewendet werden können.
Merkmale der Verhaltenstherapie
Das Menschenbild der VT ist, dass der Mensch eine aktive Rolle bei der Gestaltung seines eigenen Lebens einnimmt und somit fähig zur Selbststeuerung ist. Der Therapeut bzw. die Therapeutin leistet "Hilfe zur Selbsthilfe", gibt dem Patienten oder der Patientin Wissen an die Hand, um das Problem selbst lösen zu können. Ferner ist die VT problem- und zielorientiert. Das bedeutet, dass die VT ein Problemlöseprozess ist, bei dem es gilt, von einem "Ist-Zustand" zu einem "Soll-Zustand" zu gelangen. Vor Beginn der eigentlichen Therapie kommen der Therapeut bzw. die Therapeutin und der bzw. die Patientin zu einem gemeinsamen Konsenz, wie der "Soll-Zustand", bzw. das Ziel der Therapie, aussehen soll. Des Weiterin ist die VT sehr transparent, struktuiert sowie wissenschaftsorientiert und ständig um Weiterentwicklung gemüht (Margraf, 2009).
Lerntheorien der Verhaltenstherapie
Die Verhaltenstherapie geht davon aus, dass pathologisches Verhalten erlernt ist (Margraf, 2009) (vgl. Kapitel 1.0).
Folgende grundlegende Lerntheorien spielen in der VT eine wesentliche Rolle:
Klassische Konditionierung
Klassische Konditionierung ist ein Lernprozess, bei dem ein neutraler Reiz wiederholt zusammen mit einem Reiz präsentiert wird, der eine automatische Reaktion auslöst, sodass der neutrale Reiz schließlich allein diese Reaktion hervorruft. Ein Beispiel ist, wenn ein Hund das Geräusch einer Glocke lernt, mit Futter zu assoziieren, sodass er allein durch das Glockengeräusch zu sabbern beginnt (Pavlov, 1927).
Operante Konditionierung
Operante Konditionierung ist ein Lernprozess, bei dem Verhalten durch Belohnungen oder Bestrafungen beeinflusst wird. Verhalten, das positive Konsequenzen nach sich zieht, wird verstärkt und häufiger gezeigt, während Verhalten, das negative Konsequenzen hat, vermindert wird (Skinner, 1938).
Zwei-Faktoren-Theorie
Die Zwei-Faktoren-Theorie erklärt die Entstehung von Angststörungen durch zwei Prozesse. Zuerst wird Angst durch eine schlechte Erfahrung mit einem bestimmten Reiz gelernt, in dem eine negative Erfahrung mit einem Reiz "verknüpft" wird (Mowrer, 1947). Beispielweise könnte der Reiz Zugfahren sein und die negative Erfahrung Übelkeit. Die Person würde Zugfahren folgend mit Übelkeit verbinden (bzw. "verbinden", "konditionieren") und ggf. Ängste vor dem Fahrstuhlfahren entwickeln. Anschließend wird diese Angst durch "Vermeidung" aufrechterhalten, da die negative Konsequenz ausbleibt und das Vermeidungsverhalten so verstärkt wird (Mowrer, 1947). Die Person meidet Fahrstuhlfahren, wodurch sie zwar kurzfristig weniger Angst hat, aber langfristig lernt, dass ihre Angst berechtigt ist, da sie nie die Erfahrung macht, dass beim Fahrstuhlfahren nicht zwangsweise Überlkeit auftritt. So bleibt die Angst bestehen und kann sogar schlimmer werden.
Modelllernen
Modelllernen ist ein Lernprozess, bei dem Personen andere als Vorbilder sehen und ihr Verhalten nachahmen.
Kognitive Theorien
Die VT geht seit der kognitiven Wende davon aus, dass Bewertungen bei der Entstehung psychischer Störungen relevant sind (vgl. Kapitel 1.0). Folgende grundlegende kognitive Theorien spielen in der VT eine wesentliche Rolle:
Kognition
Vorgang des Denkens sowie das Ergebnis des Denkprozesses an sich (z.B. Einschätzen und Bewerten von Situationen; bspw. wie eine Person das einschätzt und bewertet, wenn ein Freund sich nicht meldet).
Kognitive Schemata
(Lebens-)Regeln, die in bestimmten Situationen aktiv werden: z.B. meine Fähigkeiten sind gering.
Automatische Gedanken
Schnell bzw. reflexhaft ablaufende und subjektiv plausibel erscheinende Kognitionen.
Grundannahmen
Für eine Person grundlegende Überzeugungen, Regeln, Werthaltungen, etc. (z.B. Ich bin nicht gut genug).
Psychotherapeutisches Arbeiten in der VT
ABC-Modell
Die ABC-Technik nach Ellis (1962) zur Vermittlung des Zusammenhangs zwischen Ereignissen, Bewertungen und Gefühlen gehört zu den am häufigsten angewandten Techniken in der VT. Mittels des ABC-Schemas wird dem Patienten vermittelt, dass negative Gefühle (C) nicht automatisch aufgrund von Auslösesituationen (A) entstehen, sondern dadurch, wie eine Person die Auslösesituation (A) bewertet (B). Erst die kognitive Bewertung eines Ereignisses als schlimm oder schön führt zu Angst oder Freude.
SORKC-Modell
Das SORKC-Modell nach Kanfer & Saslow (1969) dient dazu, das Verhalten einer Person in einer bestimmten Situation zu analysieren, indem es die Wechselwirkungen zwischen den Reizen, dem individuellen Organismus, der Reaktion und den Konsequenzen betrachtet. Durch die Identifizierung dieser Elemente kann die Verhaltenstherapie Strategien entwickeln, um unerwünschtes Verhalten zu verstehen, zu modifizieren und zu verbessern. Es hilft Therapeuten auch dabei, Interventionen zu planen, die darauf abzielen, Verhaltensmuster zu verändern, indem sie die Stimuli, den Organismus, die Reaktionen und die Konsequenzen gezielt beeinflussen.
Kognitive Umstrukturuierung
Kognitive Psychotherapie identifiziert fehlangepasste, verzerrte und nicht realitätsgerechte Grundannahmen und Kognitionen sowie Denkfehler und verändert diese (kognitive Umstrukturierung).
Literatur:
Ellis, A. (1962). Reason and emotion in psychotherapy. Lyle Stuart.
Kanfer, F. H., & Saslow, G. (1969). Behavioral analysis: An alternative to diagnostic classification. Archives of General Psychiatry, 21(4), 364-368.
Margraf, J. (2009). Lehrbuch der Verhaltenstherapie (Vol. 3). S. Schneider, & G. Meinlschmidt (Eds.). Heidelberg: Springer.
Mowrer, O. H. (1947). On the dual nature of learning: A re-interpretation of "conditioning" and "problem-solving". Harvard Educational Review, 17(2), 102-148.
Pavlov, I. P. (1927). Conditioned reflexes: An investigation of the physiological activity of the cerebral cortex. Oxford University Press.
Skinner, B. F. (1938). The behavior of organisms: An experimental analysis. Appleton-Century.
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