Schematherapie - Psychotherapieverfahren bei Persönlichkeitsstörungen
Voelkner & Radßat GbR • 12. Dezember 2024
Schematherapie - Psychotherapieverfahren bei Persönlichkeitsstörungen
Wie entwickelt sich die Persönlichkeit von Menschen?
Die Persönlichkeit eines Menschen entsteht durch die Kombination von genetischer Veranlagung und Beziehungserfahrungen, vor allem in der Kindheit und Jugend. Beziehungserfahrung bedeutet, dass Menschen im authentischen zwischenmenschlichen Kontakt lernen, inwiefern ihre eigenen Bedürfnisse (wie Zugehörigkeit, Selbstwertstabilisierung, sichere Bindung usw.) befriedigt werden. Durch die Interaktion von Genetik und Umweltfaktoren, wie Beziehungsfaktoren, entwickeln Menschen unterschiedlich stark ausgeprägte Persönlichkeitseigenschaften.
Wie entsteht eine Persönlichkeitsstörung?
Wenn grundlegende Bedürfnisse (Motive) in der Kindheit und Jugend nicht ausreichend versorgt wurden, entwickeln Menschen Verhaltensmuster bzw. Handlungsstrategien (Schemata), um die Motive in ihren Beziehungen zu anderen Menschen zu befriedigen.
Wenn diese Verhaltensmuster stark ausgeprägt, zeitlich stabil und dysfunktional sind, d.h. langfristig zu keiner echten Motiverfüllung führen, Leidensdruck verursachen und zu Problemen in zwischenmenschlichen Beziehungen führen, kann sich ein Störungsbild, die Persönlichkeitsstörung, entwickeln.
Der Übergang von normaler Persönlichkeit zu einer pathologischen (krankhaften) Persönlichkeit ist fließend. Dennoch werden anhand des aktuellen Diagnosesystems (ICD-10) kategoriale Entscheidungen getroffen, ob eine Persönlichkeitsstörung vorliegt oder nicht. Dies dient der Objektivität in der Entscheidungsfindung und ist Voraussetzung dafür, dass eine Psychotherapie von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt wird. Diese kategoriale Ja-Nein-Entscheidung ist jedoch auch mit Nachteilen verbunden.
Behandlung von Persönlichkeitsstörungen mit der Schematherapie
Die Schematherapie von Jeffrey Young ist eine moderne Form der kognitiven Verhaltenstherapie (eine Psychotherapie). Sie wurde entwickelt, um Persönlichkeitsstörungen und andere chronifizierten psychischen Störungen besser behandeln zu können. Mit Schematherapie wird versucht, tief verwurzelte Denk- und Verhaltensmuster (Schemata) zu verstehen und zu verändern. Ein Schema wird dabei als ein wiederkehrendes dysfunktionales Muster aus Erinnerungen, Emotionen, Kognitionen und Empfindungen definiert. Mit Hilfe von kognitiven Interventionen kann direkt an diesen Schemata gearbeitet werden.
Die Schematherapie beinhaltet ein weiteres wichtiges Element – die sogenannten Modi. Diese repräsentieren unterschiedliche Aspekte der Persönlichkeit, die in verschiedenen Situationen aktiv werden und können sowohl im Innenleben als auch im Verhalten einer Person zum Ausdruck kommen.
Der Fokus der Schematherapie liegt darauf, dysfunktionale Schemata, Modi und Bewältigungsstrategien zu erkennen, zu verstehen und zu modifizieren. Das Ziel ist es, die emotionalen Bedürfnisse auf angemessene Weise zu erfüllen und dadurch eine gesunde psychische Entwicklung zu fördern. In diesem Prozess werden auch die verschiedenen Modi identifiziert und bearbeitet, um ein ausgewogenes und flexibles Selbstkonzept zu entwickeln. Ebenfalls sollen die Patienten neue funktionale Bewältigungsstrategien erlernen.
Beispielsweise könnte bei einer Person in der Kindheit das Bedürfnis nach sicherer Bindung nicht ausreichend befriedigt worden sein, sodass sich das Schema "Verlassenheit/Instabilität" entwickelt hat. Wenn diese Person nun in eine Situation gerät, in der sie von einer anderen Person nicht die erwartete Aufmerksamkeit bekommt und dies als Hinweis darauf deutet, potenziell verlassen zu werden, könnte der Kind-Modus und das Schema "Verlassenheit/Instabilität" aktiv werden. Das würde dazu führen, dass die Person sich so fühlt wie in der Kindheit erlebt. Damit einhergehen können entsprechende (dysfunktionale) Verhaltensweisen. Als Bewältigungsstrategie nutzen einige Menschen Vermeidungsstrategien, um die Gefühle nicht spüren zu müssen, wie beispielsweise den Konsum von Alkohol.
Der "Stühledialog" ist eine Technik in der Schematherapie. Dabei werden Stühle verwendet, auf denen der Patient unterschiedliche Teile seiner Persönlichkeit (z. B. Modi) verkörpert. Der Therapeut kann dann einen Dialog zwischen den Teilen der Persönlichkeit initiieren, wodurch der Patient in der Lage ist, die inneren Konflikte, Dynamiken und unterschiedlichen Perspektiven besser zu verstehen und zu verändern.
Literaturverzeichnis:
Gitta Jacob und Arntz Arnoud. Schematherapie. Göttingen: Hogrefe, 2014.
Sachse, Rainer. Persönlichkeitsstörungen verstehen. 11. Aufl. Köln: Psychiatrie Verlag, 2020.
Zum Podcast
Wenn du die Podcast-Folge zum Thema anhören möchtest, dann klicke auf den Button.

In diesem Artikel erklären wir, warum nicht jeder Mensch nach einem traumatischen Ereignis eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) entwickelt. Wir beleuchten die neurobiologischen Prozesse, die Rolle des Trauma-Gedächtnisses und Risikofaktoren, die die Entwicklung einer PTBS beeinflussen können.

In diesem Artikel stellen wir das Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP) vor, eine speziell für die Behandlung chronischer Depressionen entwickelte Therapieform. Wir erklären die theoretischen Grundlagen, den Ablauf der Therapie und wie CBASP hilft, interpersonelle Defizite zu überwinden.

In diesem Artikel beleuchten wir die Rolle der Achtsamkeit in der modernen Psychotherapie, insbesondere in der Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT). Wir diskutieren die Ursprünge der Achtsamkeit, ihre Integration in therapeutische Ansätze und stellen praktische Übungen vor, die helfen können, psychische Belastungen zu reduzieren.